Ein wenig hatte sie mich schon auf dem Kieker. Jedenfalls war sie sehr direkt. Wollte es ganz genau wissen. Was denn für mich genau ein Idiot sei? Und was ich überhaupt so generell gegen Spaltung hätte? Könnte doch auch gut sein, so eine Spaltung … Und ich war in manchen Momenten geneigt, die Diskussion zu beenden, einfach die Schublade zuzumachen, indem ich auf mein Buch verweise: „Steht doch da. Löcher mich nicht, lies es!“ Aber zum Glück, wie ich euch heute gerne darlegen möchte, tat ich das nicht …
„Perspektivwechsel“ statt Schubladen
Ende November fand in Köln zum ersten Mal der „Perspektivwechsel“ statt, wie die neue Veranstaltungsreihe des BVMW, des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, genannt wurde. Es ging um „Perspektive wechseln und gemeinsam die Komplexität unserer Gesellschaft anschauen“ – und ich war als Unternehmer und Buchautor eingeladen worden, um einen kurzen Vortrag zu meinem Buch zu halten und bei der anschließenden Podiumsdiskussion mitzumischen.
Ich glaube schon, dass es mir gelungen ist, anhand einiger Kernthesen und Gedanken aus meinem Buch, bei dem einen oder anderen einen Perspektivwechsel anzustoßen und dafür zu sorgen, dass eine Schublade, die sonst geschlossen wird, offen bleibt.
Aber für mich war das Spannendste an dieser Veranstaltung zu erleben, wie ich selbst heute mit ebensolchen Schubladen umgehe. Oder um es ein wenig poetischer auszudrücken: mit dem Chaos und dem Kosmos.
Chaos statt Schubladen
Der Moment, in dem ich mit dem Chaos und dem Kosmos konfrontiert wurde, war der Augenblick, als mir die hartnäckige Fragende während der Podiumsdiskussion auf den Senkel ging. Warum nervte sie mich so? Was denkt ihr?
Wie mir klar wurde, fühlte ich mich genervt, weil sie an meinem wohl geordneten Gedankenkosmos rüttelte. Weil sie das, was ich dachte, sagte, geschrieben hatte, in Frage stellte. Weil ich genau das in diesem Moment nicht wollte: Ich wollte nicht in Frage gestellt werden. Schon gar nicht auf offener Bühne. Ich wollte souveräner Herr in meinem Kosmos sein, von dem mein Buch ein gedrucktes Zeugnis ablieferte: „Schau, da steht es! Schwarz auf weiß. Bis in alle Ewigkeit, Amen!“
Ja, sie nervte mich, weil sie mich spüren ließ, wie gerne ich „fertig wäre“, wie groß die Versuchung für mich war, an dem einmal Erreichten festzuhalten, stillzustehen, die Ordnung, die ich meinem Leben und Denken gegeben hatte, für mich als absolut zu nehmen. ,Basta! Hier stehe ich – und das wird auch nicht anders!’
Nietzsche hat einmal geschrieben: „Du musst noch Chaos in dir haben, um einen tanzenden Stern zu gebären“ – find ich schön. Und deswegen bin ich der Fragenden auch dankbar, weil mich diese Momente, an denen ich mich auf dem Kieker fühlte, daran erinnerten, wie wichtig es mir ist, der Versuchung zu widerstehen, die Schubladen meines Denkens und Empfindens zuzumachen. Offen zu bleiben, um eben nicht wie ein egozentrischer Idiot seinen eigenen Ego-Kosmos für die ganze Welt zu halten, sondern mich immer weiter, immer mehr zu einem „besserer Egoist“, zum Unternehmer meines Lebens zu entwickeln.
Danke fürs Nerven.
Euer David
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