Warum ich über Spaltung schreibe - David Stammel

Warum ich über Spaltung schreibe – von Nordkorea und meinem Opa

„Warum hast du dein Buch eigentlich über Spaltung geschrieben, David?“ Diese Frage wurde mir in den letzten Monaten oft gestellt und meine Antwort ging dann in Richtungen wie: „Weil ich besorgt war. Weil ich mich umgeschaut habe und – ob in der Politik oder im Unternehmen, ob bei mir privat oder in unserer Gesellschaft – mir überall Spaltung begegnete und mich das beunruhigte.“ 

Eine gute Antwort, finde ich, eine verständliche und vernünftige Antwort – aber wie ich heute weiß, nach einer Erfahrungen in Südkorea, an der Grenze zu Nordkorea, nicht der eigentliche, der tiefere Grund, warum ich gegen die Spaltung anschreibe. Dieser eigentliche Grund hat etwas mit einer Erfahrung zu tun, die ich zusammen mit meinem Opa gemacht habe.

An der Grenze: Spaltung in Korea

Auf meiner letzten Reise nach Südkorea luden meine Gastgeber zu einer Fahrt an die Grenze nach Nordkorea ein. Wir sind also an den Rand der DMZ, der demilitarisierten Zone, gefahren worden. Überall Stacheldraht und Kameras und Schilder, die davor warnen, dass ich als Zaungast durchaus zur Zielscheibe werden könnte. Krass. Und beklemmend. Und aufwühlend.

Wie aufwühlend, merkte ich aber nicht direkt am Grenzzaun. Sondern wenig später. Denn dort gibt es ein Aussichtscenter auf einem Hügel, von dem aus ich dann auf die andere Seite der Grenze, rüber nach Nordkorea, schauen konnte. Ich sah dort Menschen umherlaufen. Alles ganz normal, diese extreme Spaltung. Und wie ich dort auf dem Aussichtspunkt stand, über die Grenze schaute, hatte ich so eine Art Flashback. In diesem Moment fiel mir ein Erlebnis mit meinem Opa und meiner Tante ein, das mir total entfallen war. In diesem Moment wurde mir klar, warum mir eine solche Spaltung, wie ich sie hier in Korea erlebte – wie ich sie immer wieder in kleinerem Umfang erlebt hatte –, so gegen den Strich ging, dass ich ein Buch dazu schreiben musste.

Mit meinem Opa an der Grenze

Ich erinnerte mich daran, dass ich zusammen mit meinem Opa, ich war damals acht Jahre alt, nach Berlin geflogen bin. Das war 1986. Vor dem Brandenburger Tor gab es ein Podest, von dem Besucher von Westberlin aus in den Osten über die Mauer auf „Unter den Linden“ schauen konnten. Das taten mein Opa und ich. Und als ich über die Mauer schaute, drüben Menschen umherlaufen sah. Alles ganz normal. Da war ich fassungslos. Mir war völlig unverständlich, warum sich die Menschen gegenseitig so eine Spaltung antun.

„Aber Opa, und das haben Menschen gemacht? Das ist doch so als wenn einer mitten durch Köln eine Mauer zieht und die Verwandten sich dann nicht mehr besuchen dürfen. Ich dich nicht mehr besuchen darf!“

Mir ist das damals als kleiner Junge nicht in den Kopf reingegangen, ich verstand es nicht. Und an dieses Gefühl erinnerte ich mich jetzt in Korea – und da wurde mir klar, warum ich mein Buch so geschrieben habe, wie ich es geschrieben habe:

Es steckt einfach in mir drin. Als tiefer emotionaler Kern: Mein Aufbegehren gegen Spaltung. Diese Fassungslosigkeit, was wir uns gegenseitig antun, nur weil wir Spaltung um der Spaltung betreiben. Und es steckt in mir drin, meinen Weg so zu gehen, dass ich versuche, meine eigenen Spaltungen zu entdecken und zu überwinden. 

Das wurde mir dort an der Grenze in Südkorea auch bewusst: Dass mein ganzer Ansatz, mein Leben als Unternehmer meines Lebens zu leben, kein intellektuelles Spiel ist, weil ich dafür gute Gründe sehe, die vernünftig und verständlich sind: Sondern dass es ein Spiel ist, das ganz tief in meinen eigenen Kern geht. Ein Spiel, dessen Regeln ich erst nach und nach erkenne, an die ich mich vielleicht auch erst nach und nach erinnere, wie an mein Erlebnis mit meinem Opa. Eine Aufgabe, meine Aufgabe. Meine eigene Spaltung von meinem eigentlichen Selbst zu überwinden.

Euer David

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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • „Meine eigene Spaltung von meinem eigentlichen Selbst zu überwinden.“

    Lieber David, das ist das immer wieder das Thema. Du kennst das Prinzip der Dreifaltigkeit? In allen Religionen der Welt ist diese Dreifaltigkeit immer das Thema. Diese Verbindung zu schaffen zwischen Körper, Geist und Seele. Andere sagen auch Kopf, Herz und Gefühle. In diese Verbindung zu kommen und die Erleuchtung / Erkenntnis hell zu fühlen / hören / sehen. Das ist das Ziel. Viele Menschen trennen sich aus Schmerz von ihren Gefühlen ab. Und diese Trennung ist das was Du meinst mit Spaltung. Es geht darum durch diesen Schmerz zu gehen, zu spüren und erlöst zu werden von diesen Erinnerungen, die uns geprägt haben, uns veranlasst haben uns von unseren Emotionen zu trennen. Du bist ganz nah dran, diese Erleuchtung zu spüren. Ich fühle das, dass Du ganz nah dran bist. Lass es zu. Aber wenn Du da angekommen bist, was passiert dann? Vergiss nie, Erleuchtung ist vergänglich. Die Verbindung zu halten und nicht wieder in die Spaltung zu kommen ist eine Offenbarung. Deine Schwester hat mir berichtet von Deiner Reise.

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