Mein Herz pocht, ich spüre meinen Pulsschlag. Heftig und laut. Während ich auf und ab tigere. Hin und her, hin und her, meine Blätter in der Hand. Hauptsache in Bewegung bleiben, nicht still sitzen. Ich schiele auf die Bühne des Convention Centers: ein Rednerpult, dahinter eine riesige Leinwand, vor der niedrigen Bühne ein Saal mit schwarz ausgekleideten Tischreihen, in dem 200 Gäste Platz genommen haben. Darauf warten, was die Redner zu sagen haben. Unter anderem ich.
Gefangen im Mimimi-Modus
Ich würde behaupten, ich bin recht routiniert darin, vor vielen Menschen zu sprechen. Aber diese Keynote in Seoul in diesem riesigen Versammlungssaal mit internationalem Publikum brachte mich an mein Limit. Eine Woche zuvor wurde ich aufgefordert, auf der Veranstaltung über den Erfolg von bestbion zu berichten: Welchen Herausforderungen wir uns stellen mussten und wie wir trotzdem so erfolgreich waren.
Ich fühlte mich überhaupt nicht bereit. Schon am Tag zuvor packte mich die Nervosität: ,Was, wenn es schief läuft? Meine Keynote ein kompletter Reinfall wird? Wenn ich ausgelacht werde? Meinen Text vergesse? Ich kann das nicht, ich bin nicht perfekt vorbereitet, sie hätten mir mehr Vorlauf geben müssen – mimimi …’ Und diese Nervosität überflutete mich Minuten vor meinem Auftritt regelrecht wie eine Welle: Angst.
Ich fühlte mich wie vor meinem Fallschirmsprung. Todesangst – nun gut, in diesem Fall Angst vor der Ausgrenzung. Die komplette soziale Ausgrenzung bedeutete für Menschen in der Steinzeit den sicheren Tod. Deswegen ist diese Angst auch heute noch in uns präsent. Mir war wichtig, dass meine Keynote bei diesen Menschen ankam, meine Botschaft ankam. Besonders wichtig war mir der Abschluss der Rede – der enthielt die Message, die ich transportieren wollte.
Und deswegen nahm ich all meinen Mut zusammen. In vier Sprachen kündigte mich die Moderatorin an, englisch, koreanisch, französisch, spanisch – mein Puls pochte lauter – und dann trat ich auf die Bühne.
Wenn der Worst Case eintritt
Was ist das Schlimmste, das passieren kann? Beim Sprung aus dem Flugzeug: Der Fallschirm geht nicht auf. Bei der Keynote: Ich vermassle es.
Natürlich ist eines der Worst-Case-Szenarien eingetreten, das ich mir vor diesem Vortrag ausgemalt hatte: Ich vertauschte die Seiten meines Vortrags, ein einziges Blätterchaos. Unter den Augen von 200 Gästen sortierte ich, während ich zur Überbrückung redete, allerdings erfolglos. Also musste ich improvisieren, mitten im freien Fall. Deswegen trug ich auch den wichtigsten Part, den Abschluss des Vortrags, in dem ich meine Message packte, völlig frei vor.
Ich sprang während dieses Vortrags nicht nur über meinen eigenen Schatten, sprengte meine Komfortzone, sondern wuchs dadurch ein ganzes Stück. Und das ist nicht nur ein subjektives Gefühl. Die Rede war ein Knaller. Als ich sie mir im Nachhinein anschaute, war ich erstaunt über mich selbst. Holla, die Waldfee. Und unglaublich stolz.
Jede Herausforderung lohnt sich!
Was ich aus dieser persönlichen Grenzerfahrung gelernt habe? Dass es sich lohnt. Es lohnt sich, immer wieder neue Herausforderungen zu suchen, über die eigenen Grenzen zu gehen. Ohne Herausforderung kein Wachstum. In der Routine tretet ihr nicht über eure eigenen Grenzen. Es ist gut, nervös zu sein. Es ist gut, dass ich nicht mehr Vorlaufzeit für die Vorbereitung dieser Keynote hatte. Denn es hätte nichts geändert. Ihr seid nie ready! Jede neue Rede wird für mich wie ein neues Mal aus dem Flugzeug springen sein. Und das ist gut so. Denn nur so weitet ihr eure persönlichen Grenzen aus.
Euer David
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